Wir neigen heutzutage gerne dazu, die guten alten Zeiten
zu glorifizieren. So zum Beispiel auch das ach so gemütliche
Dorfleben vor sechzig oder hundert Jahren: Viel frische
Luft, gesundes Fleisch und Gemüse, keine Hektik.
Das alles stimmt überhaupt nicht oder wie der Schwabe
sagen würde: Pfeifadeggl
Das bäuerliche Leben war extrem hart und von Kargheit
geprägt. Durch die ständige Erbteilung, also das Aufteilen
des Hofes unter allen Kindern, wurden die Äcker und Wiesen
immer schmaler und waren, da teilweise weit verstreut, nur
mühsam zu bewirtschaften.
Auf den Äckern wurden fast ausschließlich
Getreide, Futterrüben und Kartoffeln angebaut, entsprechend
einseitig sah auch der tägliche Speisezettel aus.
Natürlich wurden überall ein paar Tiere gehalten, Hühner,
Schweine und Kühe. In Ermangelung von Traktor und Pferden
wurden die Kühe in der Erntezeit als Zugtiere vor Wagen
und Pflug eingesetzt und gaben so in diesen Zeiten nur wenig
Milch.
Die Schweine konnten, wie auch die Kühe, geschlachtet
werden, aber ohne Gefriertruhe und Eisschrank war die Konservierung
nur sehr eingeschränkt möglich, wenn überhaupt, dann nur
in Form von Dosenwurst oder Rauchfleisch.
Die Möglichkeit an Bargeld zu kommen, waren gering,
da sehr viel im Tauschhandel abgewickelt wurde. Sein Sach', also den Besitz, zu vermehren, war daher nur
durch kluge Heirat möglich. Dies führte in vielen Dörfern
fast zur Inzucht, da man sehr darauf bedacht war, möglichst
unter sich zu bleiben und so den Besitz auf diese Weise
zusammen zu halten. Dass die Liebe daher nur eine untergeordnete
Rolle spielte, versteht sich von selbst ..
Erst in den sechziger Jahren brachte die (unter Zwang
verordnete) Flurbereinigung wieder ansehnliche landwirtschaftliche
Flächen, die mit modernen Maschinen rationell zu bewirtschaften
sind, aber der Landschaft auch viel von dem Flickenteppich-Charme
genommen haben, den ich als Kind noch erleben durfte.
Wo immer möglich, suchte man nach einem Zusatzverdienst
und so war es bis in die jüngste Zeit normal, neben seinem
Hof in einer Fabrik, auf dem Bau oder im Wald einer Arbeit
nachzugehen. Neudeutsch, der Nebenerwerbslandwirt.
Die Bauernhäuser waren oft in eher schlechtem Zustand,
die hygienischen Zustände alles andere als gut, was insbesondere
zu einer hohen Säuglingssterblichkeit führte.
Ohne fließendes Wasser, ohne Strom und Licht und nur mit holzgeheizten Küchenherden
war die Hausarbeit für die Frauen ein hartes und mühsames
Stück Arbeit, gerade auch, weil auf Schwangerschaften keinerlei
Rücksicht genommen wurde.
Im Winter wurde nur ein Raum geheizt, die Schlafzimmer
daher eiskalt und das Bettzeug klamm wie auf einer Polarexpedition.
Als Kind konnte ich das mal erleben, als mich eines unserer "Dienstmädle" über ein Winterwochenende in ihr spartanisches Elternhaus auf dem Land mitnahm...
In kalten Wintern gefror sogar der Moscht und
mein Vater erzählt häufig, wie man gefrorene Mostblöcke
per Leiterwagen in die Stadt karrte.
Zu einer Zeit, als Schulgeld noch völlig normal war,
konnte, wenn überhaupt, nur ein Kind eine höhere Schulbildung
erlangen. Und normal war es auch, den Schulweg von etlichen
Kilometern sommers wie winters zu Fuß zurückzulegen.