schwäbisch schwätza
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Hat der schwäbische Dialekt eine Zukunft?

"Stirbt der schwäbische Dialekt aus?", werde ich immer wieder mal gefragt.

Nun, die gute Nachricht gleich vorab: Nein, ich bin sicher, er stirbt nicht aus, aber er wird eben von immer weniger Menschen gesprochen und verstanden!

Schon vor 200 Hundert Jahren wurde darüber spekuliert, ob und wann Dialekte verschwinden - aber sie sind auch heute noch überall sehr lebendig.

Inzwischen gibt es jedoch viele Gründe, die den Gebrauch des schwäbischen Dialekts zunehmend einengen.

So war es vor 100 Jahren oft noch ungewöhnlich, wenn ein junger Mann aus dem Nachbardorf ins heimische Dorf einheiratete: "S'kommd hald emmr an fremdr Soma rei!". Dabei sprach er fast dasselbe Schwäbisch, auch wenn es schon immer sprachliche Unterschiede von Dorf zu Dorf gab.

Der sprachliche Austausch mit anderen (Bundes-)Ländern war noch sehr eingeschränkt. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten aber grundlegend geändert.

Warum das so ist, zeigt ein Blick in die Statistik:

Der Ausländeranteil in der Schwabenmetropol Stuttgart liegt bei etwa 28,5%, das heißt fast jeder dritte Einwohner Stuttgarts ist kein "native swabian speaker" :-). Dazu kommt noch eine große Anzahl von Mitbürgern mit Migrationshintergrund, laut Statistik sind das rund 44 Prozent, bei Jugendlichen sogar fast 50%. Nach einer Studie der Universität Tübingen sprechen nur noch 11 bis 15 Prozent der Grundschüler Dialekt, besonders auffällig ist das vor allem in den Städten.

Die Bereitschaft oder die Fähigkeit sich Dialekt anzueignen, ist eher gering.

Dies war noch anders in den Nachkriegsjahren, wo z.B. aus Ostpreußen oder Schlesien viele Vertriebene in den Südwesten kamen und dann den lokalen Dialekt auf der Straße oder in der Schule übernommen haben. Bestes Beispiel ist unser Minischdrbräsidend Winfried Kretschmann, ein Sohn ostpreußischer Eltern, der bei Sigmaringen aufwuchs und den dortigen Dialekt sehr erkennbar adaptiert hat.

Viele junge Menschen glauben heutzutage, dass sie keinen Dialekt mehr sprechen, aber in Norddeutschland würden sie unschwer als Schwaben wahrgenommen.

Insbesondere das "isch" (für "ist") verrät die schwäbische Herkunft. "Des isch echd cool", ist zwar noch kein Dialekt, aber ganz bestimmt auch kein Hochdeutsch.

An mir selbst konnte ich schon lange beobachten, wie mein Schwäbisch sich zunehmend abgeschliffen hat und zu einem Honoratiorenschwäbisch wurde. Ich sage nicht mehr "I hau Durschd!", sondern "I han Durscht!", schon weil mich sonst fast keiner mehr versteht. Erst wenn ich mal wieder an meiner Schwäbisch-Datenbank arbeite, rutsche ich in Alltagsgesprächen wieder ins Ostälbler-Schwäbisch.

Auch die vielen sozialen Medien mit einem gewissen Zwang zum Hochdeutschen und die schwierige Kommunikation auf Schwäbisch tun ihr übriges. Noch gibt es ja keine vernünftige Spracherkennung für Schwäbisch, geschweige denn eine lesbare Umsetzung in Schriftform.

Mir fällt auf, dass in vielen Familien noch intern Schwäbisch gesprochen wird, aber die Bedeutung vieler alter schwäbischer Wörter leider aus dem Alltagsgebrauch herausfällt. Breschdleng sind eben Erdbeeren, Grommbira sind Kartoffeln und ein Muggabaddscher ist jetzt eine Fliegenklatsche.

Viele Eltern und Lehrer mögen Angst haben, dass schwäbisch schwätzende Kinder einen schwierigeren Start ins Studium oder Berufsleben haben.

Im Gegenteil: Bei Dialekt geht es gar nicht um regionale Befindlichkeiten, sondern um Können. Wer Dialekt spricht, bedient sich keiner minderwertigen Schwundform des Hochdeutschen, sondern zeigt echte Sprachkompetenz, durch das gelebte (und gesprochene) Nebeneinander von Hochsprache und Dialekt, wächst also quasi zweisprachig auf!

Da können wir Schwaben noch viel von den Bayern lernen, die ihren Dialekt sehr viel selbstbewusster verwenden.

Früher sagte ich immer, Schwabe ist, wer "hählenga" (heimlich) und "Olaga" (Anlagen) schwäbisch-fehlerfrei aussprechen kann. Das stimmt natürlich immer noch, aber es gibt da auch viele Grauschattierungen, die "fifty shades of schwäbisch".

Zum Beispiel das passive Schwäbisch, wenn jemand weiß was "a Kuddrschaufl" oder "a Gugg" ist und sich hinsetzt, wenn er "hoggad se sich no" hört.

Oder wenn jemand (unbewusst) schwäbische Redensarten verwendet: "Mach bitte das Glas voll leer!" oder "Komm, ich spül Dir helfa!" oder "Lang mol mei IPad rum!"

Der aktive Wortschatz wird jedoch rapide schnell zurückgehen. Die meisten schwäbischen Ausdrücke und Redensarten entstammen dem bäuerlichen Umfeld. Und das steht in einem unglaublich schnellen Wandel zu GPS-Unterstützung, Rationalisierung und Mechanisierung, auf die fast keine althergebrachte Metapher mehr passt.

Wahrscheinlich hat sich der ursprüngliche schwäbische Dialekt in zehn Jahren in kleinere regionale Inseln zurückgezogen und wird nur noch in Familien oder Dorfgemeinschaften benutzt und gepflegt. Lokale Sport- und Musikvereine werden dann noch die letzten Bastionen sein, gerade auch weil Dialekt das Zusammenhalt- und Zugehörigkeitsgefühl stärkt.

Auf der anderen Seite hatte man in der Schweiz vor 100 Jahren auch große Bedenken, ob der Schweizer Dialekt nicht bald ausstirbt. Und heute ist das Schwyzerdütsch präsenter und lebendiger denn je!

Auf jeden Fall bin ich froh, über die Jahre so viele schwäbische Sprüche und Lebensweisheiten gesammelt und für die Nachwelt aufbereitet zu haben.

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