Sprachlich interessant, ist die nur im Schwäbischen vorkommende Wortstellung im Zusammenhang mit dem Wort helfen.
Mein ehemaliger Chef brachte damit neue, des Schwäbischen nicht mächtige Mitarbeiter schon am ersten Arbeitstag
gewaltig ins straucheln: 'Dengad Se helfa dra, dass Se Ihr Lohnschdeuerkard mitbrengad.'
Kleine Hilfe notwendig? 'Denken Sie daran, dass ich Ihre Lohnsteuerkarte benötige.'
Weitere Beispiele: I kehr dr helfa (ich helfe Dir beim fegen) oder I schbial dr helfa (ich gehe Dir
beim Abwasch zur Hand). Dazu gehören auch abweichende Fälle bei bestimmten Verben: 'I ruaf dr a' statt 'Ich rufe
Dich an.'
Ab und zu hört man noch den Satz 'I muass gau gau' oder verschäft 'I muass gau ge Schduagrd gau'.
Hier hat 'gau' zum einen die Bedeutung von 'jetzt, demnächst', ist aber auch ein schwäbisches Präsens von 'gehen'.
Das 'ge' meint ein zielgerichtete Aktion im Sinne von 'zu' oder 'nach',
so verabschiedet man sich zur Mittagspause
mit dem Satz: 'I gang jetzt ge essa'. Würde man sagen 'I muass jetzt gau ge essa gau.', dann wäre noch
etwas Zeit, bis die Suppenschüssel auf dem Tisch steht.
Wenn sich Besuch für halbrdrei (also 14:30 Uhr) angekündigt hat, dann pflegt meine Mutter ab 14:32 Uhr am
Fenster zu stehen und ungeduldig zu bruddeln: 'Dia kenndad jetzt au afanga herganga!', also wörtlich
übersetzt: 'Der Besuch könnte jetzt endlich auf den Hof fahren!'. Dazu fällt mir noch ein, wenn der Besuch dann
endlich da ist, 'wird er abfoddografierd', es werden also Bilder geknipst.
'Afanga' kann aber auch noch anderweitig verwendet werden: 'Du wirsch afanga frech', wenn jemand immer
aufmüpfiger wird, oder aber 'S´wird afanga Nachd', wenn die Sonne untergegangen ist.
'Komm, vrzehl mr was!', quengeln kleine Schwabenkinder vor dem Einschlafen, wenn sie noch eine Gutenacht-Geschichte
erzählt haben wollen. Die Vorsilbe 'vr..' ersetzt sehr oft das hochdeutsche 'er..'.
Bestes Beispiel: Ist ein Schwabe verschossen, dann ist er tot. Ist ein Nicht-Schwabe verschossen, dann ist er
verliebt.
Ein Einbrecher wird manchmal 'vrwischd', aber Einbrecher sind ja auch 'vrkommene Dagdiab, dia vrschossa
kherad', also verkommene Subjekte.
Wenn einem aber der Nachbar vrkommd, dann ist das kein böser Nachbar, sondern einfach ein Nachbar, der einem
begegnet.
Als dritte Variante kann ich noch mit dem Satz 'Iss dei Subb uff, dass se nedd vrkommd' aufwarten, hier bedeutet
'vrkomma' also umkommen im Sinne von verderben.
Eine Besonderheit bildet die Vorsilbe 'vrt..', denn damit kann sich ein Wort auch ins Gegenteil verdrehen. 'Dean
hanne vrwischd', meint demnach 'erwischen', während 'der isch vrdwischd' entwischen bedeutet.
Wenn man etwas entlehnt, dann leiht man sich etwas, der Schwabe kann aber auch etwas 'vrdlehna', also entleihen.
Der Schwabe sagt auch nicht 'Ich friere', sondern 'mia friards' und wenn er sich dann erkältet, dann 'vrkelded'
oder 'vrkiahld' er sich.
Man sagt hier auch nicht 'Ich habe mich hingesetzt', sondern 'I benn nogsessa'.
Fettnäpfchen Grußformeln!
Auch hier findet sich manche Eigenheit. Am Vormittag ersetzt Morga den Guten Morgen, des Abends muss
n´Obad
genügen, um den Guten Abend zu wünschen. Auf Wiedersehen wird zu Ade, im engeren Umfeld sogar zum
Adele
(was jedoch mit dem Frauenvornamen gar nichts zu tun hat) und statt Guten Tag sagt der Schwabe sein Griaß
Godd, mitunter sogar verkürzt zu s´Godd. Gilt der der Gruß einer größeren Anzahl Personen, dann sagt
man einfach Ade midanand oder N'Obad middanand.
Auch neudeutsche Begriffe assimiliert der Schwabe ganz locker, auch tschüss wird das tschissle und aus
ciao das tschaule oder bei meiner Mutter sogar ein tscheile.
Will sich der Schwabe ganz um den Gruß drücken (Frauen) oder kennt er den Namen des Gegenübers nicht mehr
(Männer), dann sagt man so geistreiche Dinge wie So, au do oder So, au em Schdädtle oder Au
emmr am Schaffa oder Älls fleissig, gell.
Zu Ihnen, die Sie gerade diese Seite lesen sage ich daher: So, au dapferle am lesa ?
Wie fein der Schwabe gesellschaftliche Unterschiede oder mitmenschliche Situationen ausdrücken kann, sollen zwei
Anekdoten erklären: Am Tag einer Aufsichtsratsitzung beim (im SWR aufgegangenen) Süddeutschen Rundfunk ließ der Hausmeister in
der Tiefgarage etliche Parkplätze mit folgender Begründung räumen: Dia Leid miassad wegfahra, damid dia Herra
Platz hend.
Ein Fuhrmann nimmt seinen (ziemlich angeheiterten) Bürgermeister vom Wirtshaus in der Stadt ins Dorf mit. Da der
Weg sehr holprig ist, ermahnt er den Zecher mit den Worten: Schuldes, siddzad Se bessr rei, sonsch fallad'r
ra, no bisch hee!
In einem Satz findet sich hier dreierlei Schwäbisch!!
Diesen kleinen Bericht über die erste Berührung von Kriegsflüchtlingen mit schwäbischer (Un)logik fand ich irgendwo
im Internet, er passt wunderbar zum Thema:
Inzwischen war es Februar 1946 geworden .. In der Waschküche konnten sie sich - zum erstenmal nach Wien - wieder
mit warmem Wasser waschen. Der 'Gaisburger Marsch', den sie zu essen bekamen, wurde 'ratzeputz' vertilgt. .. Einige
nette Verwechslungen und Missverständnisse entstanden in der kommenden Anfangszeit durch die schwäbische Sprache.
So erwartete eine Frau, als ihr ein 'Vesperle' versprochen wurde, dass sie ein 'Westerle', eine Strickjacke, erhalten
würde. Das Brot-Endstück - 'Riebele' genannt - weckte die Vorstellung eines 'Rübeles', also einer Mohrrübe. 'Wie
kann man sich denn mit einem Teppich zudecken?' fragt man sich als Nichtschwabe. Man kann, denn hierzulande wird
eine 'Bettdecke' auch 'Teppich' genannt. Als letztes Wortspiel sei noch das vom 'Gsälz', hochdeutsch: Marmelade,
angeführt. Wer bei 'Gsälz' ein 'geselchtes' Stück Fleisch erwartete, musste mit einem Glas Konfitüre vorlieb nehmen.
So nahm das 'neue Leben' allmählich seinen Lauf - die Odyssee hatte ein Ende, die Vertriebenen in der Kappelbergstadt
und Umgebung eine zweite Heimat gefunden und 'schwäbisch' verstehen sie mittlerweile auch.
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